In der Landeshauptstadt Wiesbaden waren Ende des Jahres 2021 bereits 29 Prozent der neu zugelassenen Pkw Hybrid- und vollelektrische Fahrzeuge. Damit liegt Wiesbaden deutschlandweit auf Platz zwei unter den Städten mit der höchsten E-Auto-Dichte, wie die Nachrichtenagentur dpa-AFX unter Berufung auf das Kraftfahrt-Bundesamt vergangenen Monat mitgeteilt hat.
Um diesen Trend weiter zu unterstützen, will die Landeshauptstadt insbesondere in der Innenstadt und in verdichteten Stadtteilen mit wenig privatem Parkraum (zum Beispiel Biebrich), einen deutlichen Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur ermöglichen. Erste Prognosen weisen beispielsweise für einen Planungsraum im Ortsbezirk Mitte einen Bedarf von 83 öffentlichen Ladepunkten bis 2030 auf – aktuell gibt es dort bislang 17 Ladepunkte.
Die Umsetzung wird derzeit unter Leitung des Tiefbau- und Vermessungsamtes vorbereitet. Dazu wurden statistische Daten von Wiesbaden für die Ermittlung der Prognosen berücksichtigt, um den Ausbaubedarf öffentlicher Ladeinfrastruktur besser abschätzen zu können. Mit der Erstellung ist das Fachbüro Drees+Sommer, Stuttgart, beauftragt. Das Konzept soll neben den Prognosen zur Entwicklung des E-PKW-Anteils in Wiesbaden und des Ladebedarfs im Stadtgebiet auch Musterstandorte mit einem technischen Leitfaden und die Vorbereitung einer Ausschreibung zum Aufbau öffentlicher E-Ladeinfrastruktur umfassen. Der Projektabschluss ist für den September 2022 vorgesehen.
Möglich wird dieses Förderprojekt „E-Mobility“ durch das Sofortprogramm „Saubere Luft“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Projektträger ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die wissenschaftliche Begleitforschung übernimmt das Institut für Materialfluss und Logistik der Fraunhofer-Gesellschaft.
„Die Elektrifizierung des Verkehrs ist Bestandteil des Luftreinhalteplans für Wiesbaden und außerdem notwendig für eine nachhaltige Mobilitätswende in unserer Stadt. Vor dem Hintergrund der Klimakrise und der geopolitischen Lage ist es umso dringlicher, neben dem Busverkehr auch beim Individualverkehr auf E-Mobilität zu setzen und aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen. Mit dem Förderprojekt schaffen wir die Voraussetzungen dafür“, erklärt Umwelt- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol.
In Wiesbaden befinden sich aktuell (Stand März 2022) 230 öffentlich zugängliche Ladepunkte, die größtenteils von ESWE Versorgung installiert wurden. Davon sind 210 Normalladepunkte (AC) und 20 Schnellladepunkte (DC). Auch andere Anbieter können einen Antrag zum Aufbau von Ladesäulen stellen. Im Zuge des Förderprojektes erarbeitet das Tiefbau- und Vermessungsamt einen Entwurf für eine Ausschreibung, die sich an alle Marktteilnehmer richtet und auch für ESWE Versorgung offen ist. Die Stadtverordnetenversammlung muss dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Entsprechend der Vorgabe des Bundeskartellamtes soll die Kommune als Initiatorin und Koordinatorin dabei den fairen Wettbewerb und freien Marktzugang für verschiedene Anbieter von Ladeinfrastruktur sicherstellen.
In einer Auftaktveranstaltung zum Dialogprozess des Projekts am Dienstag, 10. Mai, kamen zunächst Vertreterinnen und Vertreter der relevanten Ämter, städtischen Gesellschaften, Wohnungsbaugesellschaften, Parkhausbetreiber und des Einzelhandels sowie der Handelsverbände und der Forschung zusammen.
Die größten Herausforderungen für eine Ladeinfrastruktur entstehen im Innenstadtbereich mit wenig Fläche, Netzverfügbarkeit und durch bauliche Anforderungen. Deshalb wurden neben dem Projekt selbst auch Best-Practice-Beispiele aus den Städten Düsseldorf und Stuttgart vorgestellt und die Herangehensweise der Kommunen anschließend auf dem Podium und mit dem Publikum diskutiert.
In der Diskussion hat sich gezeigt, dass es neben den verschiedenen Herangehensweisen der Kommunen zum Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur auch im privaten Bereich, zum Beispiel im Einzelhandel oder bei großen Unternehmen, Bestrebungen gibt, Ladeinfrastruktur aufzubauen. Es wurde diskutiert, wie diese auch durch Anwohner genutzt werden könnte und ob man eher gebündelt Ladeinfrastruktur als „Ladehubs“ aufbaut, um Suchverkehr zu vermeiden, oder einzelne Säulen im Straßenraum plant.
Im nächsten Schritt wurden die Prognosen für Wiesbaden und verschiedene Musterstandorte vorgestellt und gemeinsam an Themenkarten gearbeitet. Dabei wurde ein Überblick über Bestand, Rahmenbedingungen und Planungen sowie sonstiger Ausbauvoraussetzungen in der Gesamtstadt gewonnen. Zudem wurden geeignete Suchräume für den Aufbau von E-Ladeinfrastruktur identifiziert.
In weiteren Werkstattgesprächen werden zeitnah verschiedene Themen mit ausgewählten Akteuren vertieft. So sollen zum Beispiel mit den Ortsbeiräten Flächen in den Ortsbezirken identifiziert werden. Auch Aufbaupläne privater Akteure aus Wohnungsbau und Handel sollen dabei mit einfließen.
Der Dialogprozess wird im September mit einer Abschlussveranstaltung und der Präsentation eines Leitfadens zum Aufbau von öffentlicher E-Ladeinfrastruktur abgeschlossen. Im politischen Raum wird danach das Ergebnis vorgestellt und die Stadtverordnetenversammlung wird über das weitere Vorgehen beschließen.
Neben dem Dialogprozess ist eine Kommunikationskampagne geplant. Sie soll in diesem Juli starten und die Vorteile der Elektromobilität verdeutlichen. In direkter Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern wird mit Informationsmaterialien und Aktionsständen auf die Bedeutung des Themas für die Verkehrswende und die Verbesserung der Luftqualität im Stadtgebiet hingewiesen werden. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können das Thema Elektromobilität in Wiesbaden auf www.wiesbaden.de/elektromobilitaet mitverfolgen.